Meine Sicht auf die Pressefotografie
Ich bin kein Anhänger von Kameratests. Solche Tests prüfen zwar ausführlich die Schärfeleistung, Schnelligkeit des Fokus oder die Bildqualität bei dunklen Szenen. Wenn ich mir aber Fotos von Magnum-Fotografen anschaue, welche weltweit Beachtung erlangt haben, oder Fotos von Ansel Adams anschaue welche bereits über 80 Jahre alt sind (Diese befinden sich unter anderen Fotografien auf den Datenplatten Voyager Golden Record, die an Bord der beiden 1977 gestarteten interstellaren Raumsonden Voyager 1 und Voyager 2 angebracht sind.), dann ist eigentlich klar, dass der Fotoapparat nur Mittel zum Zweck ist.
Einem der berümtesten Reportagefotografen, Robert Capa, wird nachgesagt, dass er auf die Frage mit welchem Fotoaparat er fotografiere, geantwortet haben soll, „Würden sie Ernest Hemingwey fragen mit welcher Schreibmaschine er seine Bücher geschrieben hat?“.
Zwei Beispiele von mir, weshalb für mich die Qualität eines Fotos nicht in erster Linie die Schärfe des Bildes oder der perfekte Ausschnitt des Bildes ist, sind folgende beiden Fotos von mir:
Zum einen ist es das Bild eines Kindes mit Regenschirm, welches allein in einer Einkaufsgasse steht und scheinbar den Regen bestaunt. Es löst in vielen Betrachter die Freude am Kind aus oder Erinnerung selbst schon den Regen so genossen zu haben. Dabei ist es bei diesem Bild zwar schade, dass es nicht schärfer ist, es wurde mit einem Handy gemacht, doch es wäre ebenso schade gewesen, dieses Foto nicht zu machen.
Das zweite Bild ist jenes welches ich an einer Demonstration geschossen habe. Es zeigt Steine werfende Demonstranten und mittendrin einen am Boden liegenden Polizisten. Vor diesem Polizisten steht ein Demonstrant, welcher einen grossen Stein in der Hand hält. Der Polizist hat ein gebrochenes Bein und kann deshalb nicht aus dieser Situation flüchten. Seine einzige Möglichkeit sich verteidigen zu können, ist seine Waffe, die er bereits in der Hand hält. Diese Aufnahme habe ich gemacht, während ich auf den Polizisten zugelaufen bin. Die Kamera trug ich vor mir auf Bauchhöhe, löste also den Verschluss aus, ohne den genauen Ausschnitt noch die absolute Schärfe einstellen zu können. Darauf habe ich mit einem friedlichen Demonstranten, den Polizisten geschultert und zu seinen Kameraden getragen, welche mit der Situation völlig überfordert gewesen sind.

Ein Pressefotograf ist in erster Linie ein Dokumentalist der Zeit. Seine Arbeit ist es, Ereignisse so einzufangen, dass der Betrachter ein Gefühl der Situation welche vor Ort herrscht, bekommt. Natürlich ist auch ein Pressefotograf keine neutrale Person, einfach schon deshalb nicht, weil es keine neutralen Personen gibt. Dennoch sollte er versuchen, eine Situation nicht zu verfälschen, was ebenso von Journalisten verlangt werden muss. Ich bin schon an Ereignissen gewesen, von dem ich im Nachhinein den Artikel zu meinen Fotos gelesen habe und ich nicht mehr sicher gewesen bin, ob der Journalist und ich vom selben Ereignis berichtet haben.